Repro einer Ansicht nach Jahrhundertwende Quelle: © http://www.bonnanwalt.de/
Aussenansicht Landgericht Bonn Quelle: bonnanwalt
Fenster in der Treppenhalle Quelle: Quelle: bonnanwalt

150 Jahre Landgericht Bonn (1850 - 2000) 

Durch Allerhöchsten Erlass PDF-Dokument, öffnet neues Browserfenster / neuen Browser-Tab(104 KB) vom 2. Februar 1850 bestimmte der preußische König Friedrich-Wilhelm IV., dass für die Kreise Bonn, Euskirchen, Rheinbach, Sieg und Waldbröl ein besonderes Landgericht, dessen Sitz die Stadt Bonn sein sollte, errichtet werden sollte. Damit war das jahrzehntelange Bemühen der Bürgerschaft der Universitätsstadt Bonn um die Errichtung eines höheren Gerichts von Erfolg gekrönt. Das Recht nicht aus der Ferne sehen müssen - die zuvor erforderliche Reise der Gerichtseingesessenen zu dem Landgericht Köln war nicht mehr erforderlich. Erster Landgerichtspräsident in Bonn wurde Gerhard Merrem (1850 bis 1879). Neben dem Präsidenten waren beim Landgericht ein Kammerpräsident (entsprechend dem Vorsitzenden Richter am Landgericht von heute), vier Landgerichtsräte und zwei Gerichtsassessoren tätig.

Die Civil- und zuchtpolizeilichen Strafsitzungen fanden damals noch in einem alten Justizgebäude in der Wenzelgasse statt. Der Schwurgerichtssaal befand sich im ersten Stock des Bonner Rathauses. Die Bauarbeiten des heutigen Gerichtsgebäudes an der Wilhelmstraße begannen erst im Jahre 1857 und wurden im Jahre 1859 vollendet. Ab dem Jahr 1862 wurde ein Gefängnis errichtet, welches im Bereich hinter dem Landgericht als L-förmiges Gebäude auf der Bastion "St. Marien", der alten Bonner Stadtbefestigung, errichtet wurde. Dieses Gefängnis wurde erst im Jahre 1995 im Zusammenhang mit dem Neubauvorhaben der Bonner Justiz abgerissen. Der noch heute an der Straßenfront der Wilhelmstraße sichtbare Bau wurde in den Jahren 1901 bis 1904 durch den Anbau des Amtsgerichts komplettiert. Da dieser im neuromanischen Stil errichtet wurde, bieten die Bonner Justizgebäude bis heute eine facettenreiche Ansicht. 

Aus dem vordem königlichen Landgericht wurde ein bald kaiserliches. Anlässlich der 50-Jahr-Feier des Landgerichts im Jahre 1900 überreichte der Bonner Bürgermeister eine Bronzebüste des Kaisers zur Ausschmückung des Schwurgerichtssaals und wählte hierzu die Worte: Möge der Anblick dieser Büste den Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten in ihrem schönen, oft schweren, immer verantwortungsvollen Berufe ein Ansporn sein, zur treuester Pflichterfüllung, in der Seine Majestät uns allen ein so leuchtendes Vorbild ist. Aus dem Gerichtsalltag der Kaiserzeit sind keine besonderen Höhepunkte verzeichnet. Den Charakter der Zeit gibt eine kleine Episode wieder, welche den Alltag in netter Weise beleuchtet: Die hohen Richter des Landgerichts machten von ihrer persönlichen Unabhängigkeit auch dadurch Gebrauch, dass sie Akten zuhause bearbeiteten. Was heute undenkbar ist, war damals selbstverständlich: Die Gerichtsdiener mussten die schweren Akten hin- und herschaffen, wobei die Richter teils bis zu einer ¾ Stunde vom Gericht entfernt wohnten. So stellten die Vorstandsbeamten des Bonner Landgerichts am 22. März 1901 beim Kölner Oberlandesgerichtspräsidenten einen Antrag auf Genehmigung zur Anschaffung eines Dreirades mit verschließbarem Kasten. Auf dieses an den Justizminister weitergeleitetes Begehren erfolgte am 23. Juli 1901 ein abschlägiger Bescheid. Von der Verwendung von Fahrrädern sei Abstand zu nehmen. Die Gerichtsdiener sollten die Straßenbahn zur Erleichterung nutzen; die Fahrkarten könnten auf Staatskosten gelöst werden. 

Die Revolution des Jahres 1918 führte das Landgericht in einen demokratischen Staat. Artikel 102 der Verfassung des Deutschen Reiches bestimmte: Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Urteile wurden nach Art. 8 der Verfassung des Freistaates Preußen Im Namen des Volkes verkündet. Ein Beispiel der Sparsamkeit zeigt die Anweisung des preußischen Justizministers, vorhandene Formulare, die auf Im Namen des Königs lauteten, handschriftlich abzuändern. 

Von 1921 bis 1933 wurde das Bonner Landgericht durch Landgerichtspräsident Dr. Karl Mosler geleitet. Die grundlegenden Werte von Recht und Moral prägten seine Einstellung und ließen ihn das Landgericht durch die unruhigen Zeiten der 20-er Jahre sicher leiten. Bemerkenswert ist, dass der schon 73-jährige Mosler im Jahre 1945 erneut für kurze Zeit mit der Leitung der Bonner Justiz beauftragt wurde. 

Der nationalsozialistische Einbruch in das Rechtswesen, der sehr bald zu einer Abschaffung grundlegender Rechte und Werte führte, wirkte sich auch auf die Tätigkeit des Landgerichts Bonn aus. Umfassende personelle Veränderungen infolge des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 waren eine der ersten Auswirkungen. Zugleich wurde die Berufstätigkeit vor allem jüdischer Rechtsanwälte durch das Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom selben Tage erheblich eingeschränkt oder ganz eingeschränkt (vgl. dazu Heidwin Paus, Das Schicksal der im Landgerichtsbezirk Bonn zugelassenen jüdischen Rechtsanwälte während der Zeit des Nationalsozialismus, hrsg. vom Bonner Anwaltverein, 1992). Die neue Staatsführung suchte ihren Einfluss insbesondere auch auf laufende Prozesse zu gewinnen. Wer sich hiergegen zur Wehr setzte, musste mit scharfen persönlichen Konsequenzen rechnen. Mut bewies etwa Landgerichtsrat Josef von Hammel, als er im Juni 1933 einen Prozess gegen wegen Totschlages angeklagter Sozialdemokraten abbrach, weil der gesamte Saal mit SS- und SA-Leuten besetzt war. Ein erschreckendes Bild des Unrechtsstaates ergab sich auch anlässlich eines Entführungsfalles aus dem Jahr 1936. Der Landwirtschafts-Volontär Hans-Eduard Giese entführte den 12-jährigen Sohn eines Bonner Geschäftsmannes. Er band sein Opfer im Wald an einem Baum an, versorgte es dort jedoch mit Apfelsaft, Apfelsinen und Schokolade. Für die Freilassung forderte er die Zahlung von 1800,- Reichsmark von den Eltern. Giese wurde gefasst und ihm der Prozess gemacht. Die Tat geschah am 16. Juni 1936. Die Reichsregierung in Berlin hatte von dem Fall Kenntnis erlangt und erließ am 22. Juni 1936 mit Rückwirkung ab dem 1. Juni 1936 (!) ein Gesetz, mit dem diese Tat mit dem Tode bestraft wurde. Giese wurde entsprechend verurteilt. Hier wurde in krasser Weise gegen fundamentale Rechtsgrundsätze verstoßen. Dies ist ein herausragendes Beispiel, wie sich der Unrechtsstaat auf die Rechtspflege auswirkte. Viele weitere ließen sich anfügen. Hierbei ist noch zu bemerken, dass die schlimmsten Urteile jener Zeit bei den in Köln ansässigen Sondergerichten gefällt wurden. 

Der totale Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Jahre 1945 bedeutete auch für das Landgericht einen Stillstand der Rechtspflege. Das Landgerichtsgebäude war weitgehend zerstört. Der folgenschwerste Bombenangriff für das Landgericht ereignete sich am 6. Januar 1945. Beim Einsturz eines Gebäudeteils kamen 230 Menschen ums Leben. Der Gerichtsbetrieb wurde am 27. Juli 1945 mit einer Strafsitzung wieder eröffnet. Das Landgericht wuchs wiederum in eine völlig veränderte Staats- und Gesellschaftsordnung hinein. 1949 wurde der im Krieg zerstörte Mittelbau des Landgerichts wieder hergestellt. Die vollständige Wiederherstellung des Landgerichtsgebäudes konnte im Jahre 1955 gefeiert werden. 

Die erste Zeit nach dem Krieg war durch die Ablösung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes durch eine freiheitlich-demokratische Grundordnung geprägt, die für die Menschen mit großen Entbehrungen und die Justiz mit großen Schwierigkeiten einhergingen. Problematisch war insbesondere, dass der Gerichtsbetrieb teilweise mit Personen aufrechterhalten werden musste, die noch aus der Zeit des Nationalsozialismus stammten. Eine Auswertung der Personalakten dieser Zeit zeigt jedoch, dass jedenfalls bei Beförderungen eine sehr sorgfältige Auswahl unter Berücksichtigung der Vergangenheit der Bewerber getroffen wurde. In der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit fanden in Bonn zwei große KZ-Prozesse statt: Zum einen der Prozess gegen den Aufseher im KZ Sachsenhausen Gustav Sorge, genannt "Eiserner Gustav", und zum anderen der sogenannte "Kulmhof-Prozeß", in dem es um den Mord an 150.000 jüdischen Bürgern im Konzentrationslager Chelmno (Kulmhof) in Polen ging. 

Das Landgericht Bonn war in den letzten 50 Jahren seiner Geschichte immer wieder mit öffentlichkeitswirksamen Prozessen befasst, weil die örtliche Nähe zur Bundesregierung die Tätigkeit des Gerichts maßgeblich prägte. Strafprozesse gegen einen ehemaligen Präsidenten der EG-Kommission und Staatssekretär (der mit Freispruch endete) sowie die Parteispendenprozesse der 80-er Jahre gegen ehemalige Wirtschaftsminister sind vielen noch in Erinnerung.

Der Text entstammt der reich bebilderten Festschrift, die anlässlich des 150. Jahrestages der Eröffnung des Landgerichts Bonn im Bouvier-Verlag Bonn erschienen ist.

ISBN 3-416-02960-7